Der unschöne juristische Begriff ›Umgang‹ drückt etwas zutiefst Emotionales aus: den Wunsch eines Kindes, seine Eltern auch nach einer Trennung oder Scheidung nicht zu verlieren, das Recht, sie regelmäßig zu sehen und als Vater und Mutter zu behalten – auch wenn sie nun nicht mehr als Paar zusammen sind. Und wechselseitig den Wunsch des von den Kindern getrennten Elternteils, diese regelmäßig sehen zu können.
Weil diese Wünsche oft nicht ohne Hilfe durchgesetzt werden können, gibt es als rechtliche Handhabe das Umgangsrecht. Es gibt Kindern ohne weitere Voraussetzungen das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Und andererseits hat jeder Elternteil ohne weitere Voraussetzungen ein Recht (und eine Pflicht) auf Umgang mit seinem Kind.
Was in der Theorie einfach und plausibel klingt, ist in der Praxis oft extrem schwierig umzusetzen. Schuld sind die Emotionen, die hochkommen, wenn man dem Expartner begegnet oder auch nur mit ihm telefoniert. Schuld ist die oft nicht abgearbeitete Paar-Beziehung. Man hat sich ja nicht grundlos getrennt. Vielleicht sind schlimme Dinge passiert: Lügen, Betrug, Beleidigungen, emotionale oder sogar echte Schläge. – Das Kind/die Kinder können dafür zwar nichts, sind aber doch oft die Leidtragenden, weil die Erwachsenen keine vernünftigen Absprachen, keine faire Umgangsregelung finden können.
Umgangsrecht — § 1684 BGB: Umgang des Kindes mit den Eltern
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten.
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.
Die Wut und die Vernunft
Letztlich ist es egal, von wem die Trennung ausging. Meist wird auf beiden Seiten eine tiefe Verletztheit da sein. Ein Betroffener drückt es drastisch so aus: »Sie hat ja nicht nur die Kinder verlassen, sondern auch mich. Und nun lebt sie mit einem neuen Kerl zusammen und hat ihre Kinder bei mir zurückgelassen. Wie kann diese Frau es also wagen, noch mal einen Fuß in die Tür zu setzen, um die Kinder abzuholen?«
Und doch weiß man auf der anderen Seite, dass man sich nicht von seinen Gefühlen überrumpeln lassen darf. Man muss das Kind/die Kinder zu seinem/ihrem Recht kommen lassen: die Mutter zu sehen und Kontakt mit ihr zu behalten. Viele Männer, mit denen ich gesprochen habe, sehen das so. Es ist der Zwiespalt: einerseits die eigenen verletzten Gefühle, Enttäuschung, Verzweiflung und andererseits der Wunsch der Kinder, die Mutter zu sehen, dem man nachkommen will. Alleinerziehende Mütter, die sich mit ›Umgangsvätern‹ herumschlagen, erleben das Ganze natürlich genauso.
Je tiefer die Verletztheit eines Partners, je mehr er/sie in der Partnerschaft ›einstecken‹ musste, umso schlimmer wird es, auch hinterher einen vernünftigen Umgang miteinander zu finden.
Simon (42) aus Hamburg ist klar, dass er in seiner Ehe einige Fehler gemacht hat. Ihre Wut und ihren Hass lässt seine Exfrau Tina ihn bis heute spüren, und das häufig bei der ungünstigen Gelegenheit der Übergabe von Sohn Tobias (11). Simon: »Meine Exfrau ist sieben Jahre jünger als ich. Sie hat sich immer sehr stark an mir orientiert. Ich habe Abitur und Studium, sie nur Realschule. Ich war ihr intellektuell überlegen. Wir heirateten ein halbes Jahr vor Tobis Geburt. Im Rückblick muss ich sagen, dass ich mir unsicher war. Aber wir haben einfach die Erwartungen unserer Eltern, unseres ganzen Umfelds erfüllt. Es war am Anfang auch eine heiße Liebe. Aber es war wohl doch hauptsächlich körperlich. Nach drei Jahren, nach der Geburt von Tobias, erkaltete alles. Sex gab es nur noch einmal im Monat. Nicht nur sie wollte nicht mehr, ich hatte auch keine Lust mehr auf sie. Es war fast zwangsläufig, dass ich in dem Moment in eine Affäre mit einer Arbeitskollegin rutschte. Ich konnte es fast ein Jahr lang verheimlichen. Als dann eine Freundin von Tina mich knutschend mit der anderen sah, flog alles auf.«
Die beiden sind heute getrennt. Doch: »Tina hasst mich immer noch wegen meines Fremdgehens. Vielleicht hasst sie mich sogar heute noch mehr, weil ich auch ohne sie klarkomme. Jedenfalls lässt sie keine Gelegenheit aus, um mich, bei der Übergabe von Tobi, anzugiften. Das geht so weit, dass sie Sachen sagt wie: mit welcher Hure ich denn zur Zeit schlafen würde und so weiter. Es ist einfach grauenhaft. Ich versuche, meinen Sohn da rauszuhalten, aber manchmal klappt das halt einfach nicht.«
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• Die Wut und die Vernunft
• Was wollen Kinder eigentlich
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